WAS VON DER REISE BLEIBT

English text
Ein Fundstück vom Anfang meiner Reise in Lettland, Europa

IN 2 JAHREN HABE ICH:

  • 160 Blogtexte geschrieben und übersetzt.
  • 970 Fotos auf Instagram gepostet.
  • ca. 36.000 Fotos gemacht.
  • 36.852 km über Land zurückgelegt.
  • 8.942 km in zwei Flugzeugen zurückgelegt (2.325km von Sharja nach New Dehli und 6.617km von Kuala Lumpur nach Sydney) und dabei jeweils ein Land übersprungen.
  • 1 neue Sprache (Russisch): weit davon entfernt die Sprache zu meistern, aber nach wie vor dabei sie zu lernen.
  • drei paar Sommerschuhe durchlaufen und ein paar gestohlene Wanderstiefel verbucht.
Ein Farn im Unterholz des Bishes in Sydney, Australien

16 LEHREN EINER LANGEN REISE:

1. Niemand hat ein Anrecht auf meine Wahrheit.

Eine junge alleine reisende Frau, in heiratsfähigem Alter ist in allen Ländern dieser Welt etwas außergewöhnliches. Obwohl man sich in den westlich geprägten Ländern langsam daran gewöhnt, gibt es einige in denen so etwas undenkbar bleibt. In vielen Ländern ist es höflicher und sicherer zu lügen. Lügen ist in diesen Nationen häufig Überlebensstrategie und wird nicht im selben Maße verworfen wie in unserer christlich-puritanischen Gesellschaft.

 

2. Einsamkeit ist ein rares Gut.

Alleine reisen heißt Entscheidungen ohne Rücksicht auf andere Menschen zu treffen und die Verantwortung für diese Entscheidungen alleine zu tragen. Es hat nichts mit Einsamkeit zu tun. Menschen gibt es überall auf der Welt.

 

3. Reisen verändert keine Persönlichkeiten.

Alte Freunde die ich unterwegs wieder treffe und besuche, sind häufig überrascht darüber, dass ich mich so gar nicht verändere. Auslandserfahrungen haben dass bei mir nie gemacht, die Erwartung darüber hat mich immer etwas verwundert. Oder mache ich etwas verkehrt?

 

4. In jedem Land bedeutet Reisen etwas anderes.

In einigen werden allein reisende Touristen gleichgesetzt mit Sex-Touristen. Das kommt je nach Land daher, dass man von sich auf andere schließt. Der iranische Tourist (wenn er nicht auf Pilgerreise ist, oder Familie besucht), zum Beispiel, geht ins Ausland um Sex zu haben, weil es viel einfacher ist, als zu Hause. In Thailand dagegen, wo die große Mehrzahl der Touristen die ins Land strömen Sex-Touristen aus dem Ausland sind, reagieren die Einheimischen dementsprechend skeptisch auf solo Abenteurerinnen. Dazwischen gibt es viele Grautöne (das versteht sich von selbst). In manchen Ländern ist das Reisen ein Privileg der Reichen (von Indien bis Laos ist mir das besonders aufgefallen), in anderen ist es Teil des Alltags. Egal woher man kommt, wird das Reiseverständnis des jeweiligen Landes über einen gestülpt.

 

5. Essen, Schlaf und Glück haben viele Gesichter.

Alltägliche Dinge werden auf unterschiedliche Weise angegangen, aber im Kern bleiben sie gleich. Auf meiner Reise habe ich auf Betten, persischen Teppichen, Metallliegen, Holzbrettern, Steinböden und Luftmatratzen geschlafen. Fast überall konnte ich lernen gut zu schlafen. Mal lag ich in meinem Daunenschlafsack, andere male hatte ich eine Decke aus Federn, dann wiederum nur eine dünne Woll- oder Polyesterdecke. Schlafen konnte ich immer. Das gleiche gilt für gutes Essen, Familie und Gemütlichkeit. Es gibt sie überall in der Welt und überall sind sie im Kern das Gleiche.

 

6. 28 Grad können Hochsommer und gerade so Frühling sein.

Der beständige Wandel der Jahreszeiten ist ein zentraler Teil meines Selbstverständnisses. Nichts macht mich seliger als ein sonniger Sommer, ein verschneiter Winter, ein matschiger Frühling und ein verregneter Herbst. Meine Verständnis der Jahreszeiten hat sich jedoch deutlich erweitert. Selig erinnere ich mich an den -30 Grad kalten russischen Winter genauso wie an den 25 Grad warmen Winter in Nepal. In Beiden war es am gemütlichsten sich mit Wollsocken ein paar Kerzen und einem Tee in eine Wolldecke zu kuscheln. Das empfinden von Kälte ist relativ.

 

7. Geld ist Mittel zum Zweck.

Geld macht nicht glücklich, es macht das Leben nur einfacher. Die meisten Menschen zu Hause (in der westlichen Welt) sind reich, obwohl sie sich arm fühlen.

 

8. Schönheit ist ein Konstrukt.

Ob es übermalte Lippen im Iran, operierte Näschen, Bleichcremes in Indien oder weiche Wangen sind, Schönheitsideale sind unterschiedlich. Was sie eint ist, dass sie unerreichbar sind. Warum wollen wir „schön“ sein, warum reicht es nicht einfach nur sauber zu sein?

Als „schön“ gelten zu wollen ist, egal in welcher Kultur, verschwendete Zeit. Meinem Empfinden nach ein Verbrechen an der Menschheit. Die Zeit die ins Schminken lernen und in die Instandhaltung der Illusion von Haarlosigkeit fließt, könnte zum Beispiel dazu genutzt werden zu lernen wie man Autos repariert oder einen Fisch ausnimmt, oder was auch immer Frau/Man können möchte.

Beim Reisen bin ich so mit meiner Umgebung beschäftigt, dass ich die dünnen schwarzen Härchen auf meiner Nase vergesse und der seichte blonde Flaum auf meiner Oberlippe nicht zu existieren scheint. Kaum komme ich an in Sydney springen mir die haarigen Realitäten wieder ins Auge. Innerhalb von wenigen Wochen, ist alles was ich während des Reisens zu lernen geglaubt habe verpufft. Die westliche

Kultur hat mich wieder fest im Griff und mein Befreiungskampf beginnt (gefühlt) von neuem.

 

9. Stress hat viele Gesichter.

Ein gestresster Mensch kann wie eine gejagte Ratte durch die Stadt laufen oder phlegmatisch auf dem Sofa liegen.

 

10. Reisen ist das größte Privileg und eigentlicher Ausdruck unseres Reichtums (der nichts mit Geld zu tun hat).

Ich habe auf meiner Reise Menschen getroffen die mit sehr viel Geld reisen, andere die das Selbe komplett ohne tun. Beides ist möglich. Das Beste im Leben ist sowieso kostenlos. Aber was sie alle hatten, waren westliche, meist europäische Personalausweise. Darin liegt unsere Freiheit, unser Reichtum und unser Privileg.

 

11. Das Bauchgefühl leitet den Verstand. Immer.

 

12. Es gibt Wasser in der Wüste.

Es gibt alles überall: Wasser in der Wüste, Kokain in Teheran, Jungfrauen in Thailand, Frösche auf Baumkronen, Snickers auf 5.000 Metern im Himalaya... Heutzutage bekommt man alles überall. Die Preise variieren, aber nicht das Produkt. Gibt es etwas nicht, gibt es eine billigere, lokale Variante.

 

13. Die magischsten Tiere der Welt (zu Lande) sind Elche und Kamele.

 

14. Kein Fleck der Erde ist Menschenlos.

 

15. Das „gute Leben“ lebt man überall auf der Welt.

Glück und Zufriedenheit haben nichts mit den in der westlichen Welt verehrten Luxusgütern zu tun.

 

16. Rassismus gibt es überall auf der Welt und ist Teil jeder Gesellschaft.

 

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Comments: 1
  • #1

    Elisabeth & Hartmut (Wednesday, 10 October 2018 20:57)

    Liebe Bella, interessant ist dein Resümee. Zu Punkt 3: Äußerlich magst du dich nicht verändert haben. Doch die lange Reise hat deine Persönlichkeit beeinflusst, wenn nicht sogar etwas geändert. Das erkennen wir in sehr vielen Punkten deiner Reiseauswertung. Du hast viele Facetten des Lebens von arm bis reich kennengelernt. Das wird sich bestimmt auf deine Einstellungen im weiteren Leben auswirken, ob du willst oder nicht. (Diese Erfahrung haben wir durch Judiths längere Aufenthalte im Ausland gesammelt.) Man weiß dann mehr zu schätzen, was man hat und was im Leben wichtig ist. Z.B. kann man arm, aber trotzdem glücklich sein....
    Lass es dir weiter gut gehen.
    Viele Grüße von deinen "Hallunken".