Pai gilt weithin als Hippie-Oase und Perle des Nordens Thailands. Es ist ein kleiner Ort, gelegen in einem weiten Tal, umgeben von grün bewucherten Bergen. Auch hier haben die Touristen das Leben fest in der Hand. Neben einem Buchladen, der ausschließlich englischsprachige Titel verkauft und zahllosen Skooter-Verleihern, Tour-Anbietern und Massageeinrichtungen kann man hier, verlässt man einmal die Hauptstraße einen Einblick bekommen in das lokale Leben. Außer den immer präsenten Tempeln gibt es hier auch eine Moschee, die mitten im Zentrum eine Zäsur des sonst so gewohnten buddhistischen Lebens bildet. Hier tragen die Männer Takke und die Frauen Kopftuch, aber sonst scheint nicht vieles anders zu laufen als sonst.
Ich schlafe etwas außerhalb, am Rande des Dschungels in einem naturnahen Hostel. Ich dusche über der Toilette und kämpfe mit Hilfe des Moskitonetzes gegen die Kleintiere, die sich zwischen meine Laken drängen. Ich bin mittelgradig erfolgreich. Nachts lausche ich den Schreien des Geckos, der die restlichen Spinnen und Motten vernichtet. Am Anfang verängstigt mich dieses Geräusch, da ich immer damit rechne, dass er auf mein Moskitonetz fällt und mich im nächsten Schritt bestimmt genauso verschlingt wie die anderen Kriecher in diesem Raum. (Er ist so groß wie mein Zeigefinger.) Aber Nacht für Nacht wächst mein Vertrauen in ihn, bis ich schlussendlich ohne seinen Kampfschrei kaum einschlafen kann.
Auf der Terrasse meines Hostels hängen zwei Hängematten und zahlreiche Kissen laden zum verweilen ein. Dort lese ich ein Buch nach dem anderen. Der Blick fällt ins tiefer gelegene Tal, der Sonnenuntergang hängt in den Bergen, wie der Nebel, der nicht weg zu kommen scheint. Die Geräuschkulisse wird von Grillen dominiert, jedoch hört man vereinzelt das Tröten eines Elefanten. Man sieht diese Riesen hier am Straßenrand leben. Sie sind immer angekettet und stehen meistens im Dreck unter einem Blechdach. Stoßzähne trägt hier natürlich keiner der Elefanten. Die Einheimischen gehen ihrer Arbeit nach, verkaufen Bücher, Essen oder Massagen und putzen die Unterkünfte der Touristen. Groß beachten tun sie uns nicht. Als es einmal drei Tage lang regnet, sind diese Hängematten und mein Bett die einzigen Orte, in denen ich nicht von oben bis unten nass werde. Der Monsunregen ist beeindruckend. Er ist wie der Regen in Hollywoodproduktionen: laut, heftig und überdramatisch.
Auf dem Rücken eines Skooters erkunde ich mit J. (einer Bekanntschaft aus dem vorletzten Hostel) das Tal. Wir fahren von einem Buddha zum nächsten, sind erstaunt, dass wir so viele Elefanten sehen und freuen uns über die abgelegenen Ecken, in die wir abenteuerlustig vorstoßen. Zur Abwechslung sprechen wir Deutsch miteinander, es ist erstaunlich schwierig. Ständig beginne ich Sätze auf Englisch, so richtig will mir die Sprache nicht mehr von den Lippen rollen.
Zu zweit können wir direkt doppelt so viel erkunden. Wir kaufen uns Bücher und verfallen schließlich in einen gemütlichen Rhythmus aus Essen, Lesen und einem abendlichen Spaziergang zum Nachtmarkt. Ich genieße diesen ruhigen und besinnlichen Lebensrhythmus, denn ich weiß, dass ich die Zeit, bis mein Flugzeug aus Bangkok nach Rom abhebt in diesem Land verbringen muss. (Das sind noch knapp drei Wochen.) Da ich so wenige Aspekte bisher als schön empfunden habe, verweile ich an dem Ort, der mich zumindest nur bedingt wütend macht. Hier, am Rande des Dschungels, kann ich die anderen Touristen vergessen. Zwar laufe ich allabendlich an einem Hotel vorbei, indem sich eine Horde von Yogaverrückten, veganen Westeuropäern festgesetzt hat, aber die schaffe ich gerade so zu ignorieren.
Weil wir schließlich ein schlechtes Gewissen haben, dass wir nicht wie die anderen Touristen die allbekannten Sehenswürdigkeiten abklappern, machen wir uns auf den Weg in den Dschungel. Weil ein Paar Wasserfälle auf unserer Mappe eingezeichnet sind, so wie der Weg, der uns zu ihnen führt, meinen wir, dass wir das auch alleine können. Schon nach einer halben Stunde vereint sich unser Weg mit dem Fluss und wir waten bis zum Knöchel im Wasser weiter. Die Bilder die entstehen sind entzückend, das Wasser erfrischend und unsere Schuhe für immer gezeichnet/ruiniert. Noch bevor wir den finalen Wasserfall erreichen, drehen wir um. Die Moskitos sind allgegenwärtig und das Wasser drückt inzwischen nicht nur von oben in unsere Schuhe. Es hat angefangen zu regnen. Total durchnässt kommen wir schließlich im Hostel an und kriechen in unsere Betten, in denen wir für den Rest des Tages bleiben.
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