Ich sitze im Dunkeln in einem der Schlafsäle meiner Gastgeber. Von der Straße höre ich die Karaoke Bar um die Ecke und den dezenten Lärm des Nachtmarktes vor der Tür. Für jeden Reisenden sind diese Geräusche Verlockungen. Für mich hat sich das gelegt. Ich bin schon seit Monaten nicht mehr auf der Suche nach Abenteuern. Ich bin nervös, obwohl es dazu keinen Grund gibt, außer dass das Internet zu langsam ist, um Filme zu gucken und meine Dropbox vom chinesischen Staat blockiert wird. Ich kann weder meine Fotos sichern, noch meine englischen Texte korrigieren. Es ist dieser ungesicherte Status, der mich nervös macht. Was, wenn ausgerechnet jetzt mein Rechner den Geist aufgibt? Dann sind die Bilder dahin. Einerseits will ich raus aus China, um endlich näher an Australien zu rücken, andererseits gefällt es mir hier ganz gut. Ich habe unendlich viel zu lernen und könnte mich ewig durch dieses faszinierende Land essen. Chinesisch werde ich allerdings nie lernen, was einen verlängerten Aufenthalt nutzlos erscheinen lässt.
Zu meiner Überraschung habe ich ein Zwei-Monatsvisum für China bekommen. Das Land ist groß genug, um zwei Monate darin zu reisen. Aber von Tibet bin ich in Lichtgeschwindigkeit in die Yunnan Provinz gefahren. Ich habe alles frühzeitig organisiert, damit die Zugtickets günstig sind. Und somit bin ich jetzt nur noch eine Busfahrt von der Grenze entfernt. Ich habe vor, drei Wochen in Jinghong zu verbringen. Es ist eine kleine gemütliche Stadt (für chinesische Verhältnisse), die gefangen im ewigen Sommer, ihre Tage am Mekong (hier Lancang Jiang genannt) fristet. Über das Internet habe ich mal wieder eine nette Situation gefunden, ein junges Pärchen, welches mich in ihrem Hostel beherbergt im Austausch gegen Foto, Film und Wandmalerei. Sie kochen fantastisch und ich habe deutlich das Gefühl, dass ich mehr aus diesem Austausch mitnehme, als ich geben kann. Aber auch das habe ich gelernt ist subjektiv, und was ich denke ist nur dann wichtig, wenn ich das Gefühl habe es sei andersherum.
Ich bin rastlos, gefangen zwischen dem Datum an dem ich aus Bangkok nach Rom fliegen werde, um meine Familie zu treffen und dem schmalen Budget, welches ganz eigene Einschränkungen mit sich bringt. Es ist nicht nur der Organisationsaufwand, sondern auch die schier nicht endenwollenden Varianten, die mich in einem selbstgemachten Gedankengerüst gefangen halten. In einer Sekunde will ich quer durch das ganze Land reisen, um eine Freundin in Peking zu treffen, in der nächsten werfe ich meine Pläne über den Haufen, um direkt nach Laos weiter zu ziehen.
Ich beginne die verbleibenden Wochen zu zählen bis ich zurückfliege, es sind achteinhalb. Drei Wochen hier, drei Wochen dort. Schnell bekomme ich das Gefühl, ich könnte in vier Wochen durch Südostasien durchbrausen. Ich bin schließlich bei weitem kein Fan von Stränden und ähnlichen Aktivitäten. Die zwei Monate auf der Krim im letzten Jahr, waren mir genug Sonne für ein Leben. Und warum gehe ich nach Australien? Ich hoffe ich finde einen Fleck, an dem es viel regnet.
Ich sitze mit einem handgroßen Loch in meiner neu gekauften Hose auf meinem harten Bett. Aus irgendeinem Grund löst sich der Stoff auf, die Nähte ebenfalls. Wieder einmal ein Fall für mein kleines Nähetui. Diese Situation passt so wunderbar auf alles, was ich tue. Denn wann auch immer etwas kaputt geht, finde ich etwas, um es zu flicken. Aber strukturell kann ich nur selten etwas ändern. Strukturell müsste sich jedoch ein ganze Menge ändern. Ich merke dass ich nicht mehr so reisen möchte, wie ich das bisher getan habe, mit Rucksack und Handy als Ausgangspunkt für meine Abenteuer. Ich will es nach wie vor um die Welt schaffen, das Ziel ändert sich nicht. Aber ich möchte es nicht mehr mit einem Rucksack auf dem Rücken tun. Ich brauche mehr Raum um mich herum, mehr Dinge die bleiben, mehr Gestaltung, mehr Selbstbestimmung. Lösungen scheint es viele zu geben. Mal sehen, wie sich alles fügt.
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