GEORGETOWN, NATIONALE IDENTITÄT UND STREETART

English text
Ich würde einziehen, das ist klar! Georgetown, Malaysia

In Malaysia sieht man auf der Straße alles was lebt. Frauen mit oder ohne Kopftuch, mit oder ohne Burka, mit oder ohne Kinder. Männer in Begleitung ihrer Frauen oder ohne. In seiner Diversität auf den Straßen erinnert es mich viel mehr an Dubai, als an den Iran. Ich bin erleichtert und gleichzeitig ist mir auch klar, dass das nichts heißen muss.

Malaysia ist das Land, von dem ich am wenigsten erfahre. Ich bin erschöpft, nicht ehrlich interessiert und fokussiert auf das, was mich auf der anderen Seite des Fliegers erwarten wird. Obwohl ich in ein paar wirklich schönen Ecken bin, verlasse ich dieses Land ohne Pläne jemals wiederzukommen. Das ist nicht das erste Mal auf meiner Reise (Dubai, Laos, Thailand), aber eine Seltenheit ist es trotzdem. Alles, was ich über das Land zu sagen habe, ist eingepackt in meiner miesen Stimmung und dem Wunsch, einfach irgendwo anzukommen. Georgetown überrascht mich dann doch mit einigen sorglosen Nachmittagen in guter Gesellschaft und schöner Umgebung.

Händchen halten, Georgetown, Malaysia

Die Altstadt ist ein für Touristen angelegter Streetartpark und ein Highlight für alle Reisenden in meinem Bekanntenkreis. Auch ich finde schließlich in meinem Schlafsaal Anschluss. Sie ist zehn Jahre jünger als ich und dabei, den Abschied von Indien zu verarbeiten. Sie hat ein freiwilliges Jahr in einer Schule auf dem Land verbracht. Obwohl uns so viele Jahre trennen, eint uns die Verarbeitung einer großartigen Zeit. Unsere Köpfe sind voll mit Erlebnissen, die viel zu groß sind, um sie einander mitzuteilen. Aber genau das führt dazu, dass wir einander sein lassen. Wir treffen uns in der Mitte, sind Unterstützung und doch völlig unabhängig. Wir ergehen uns in Fotosessions vor den schönen alten Türen und Häusern, die diese Stadt so charmant machen und verschlingen das vielfältige südasiatische Essen, das es hier in all seinen Formen gibt. Nach Thailand ist die Vielfalt frappierend. Wieder einmal begeistert mich vor allem die chinesische Küche.

Verblasste Schönheit, Georgetown, Malaysia

Die Kunst an den Wänden dieser Stadt befindet sich in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Die Wände bröckeln, schimmeln und die Malereien verblassen. Mir gefällt das gut. Ich habe in den letzten zwei Monaten kombiniert nicht mehr so viel fotografiert wie hier an einem Tag. Ich schwebe in einer Blase aus hippem Lifestyle und dem Bewusstsein die „echten“ Menschen, die hier leben nicht zu sehen. Dadurch, dass ich aufgegeben habe nach Authentizität zu suchen, kehrt die Entspannung zurück. Wenn es nicht sein soll, dann halt nicht.

Die Katze, der Feind, Georgetown, Malaysia

Vom Islam bekomme ich in diesem Land nichts mit. Außer den Moscheen, die in regelmäßigen Abständen aus den Wohnhäusern hinauf ragen und den Ruf zum Gebet des Muezzin, bleibe ich von Blicken, Rufen oder sonstigen Kontaktaufnahmen verschont. Der Islam wird hier anders ausgelegt als im Iran und in Dubai. Die Malaien, mit denen ich mich unterhalte, sind nett, entspannt und neugierig. Die Trennung der Geschlechter scheint nicht ganz so harsch zu sein wie im Iran und in Dubai, aber natürlich kann ich das letztendlich nicht einschätzen.

Spielplatz! Georgetown, Malaysia

In Georgetown treffe ich außer auf zwei deutsche Mädels auch auf eine Amerikanerin, die auf der Flucht vor Trump zu ihren Wurzeln zurück gekehrt ist, nur um zu entdecken, dass diese Wurzeln nicht existieren. So wie meine neue Bekanntschaft Amerikanerin ist, bin ich Deutsche. Das sind die Nationen, in denen wir großgeworden sind, deren Schulsysteme uns geprägt und die uns Recht und Unrecht gelehrt haben. Auch wenn ihr Ur-Ur-Großvater aus Malaysia stammt, kann sie weder die Sprache sprechen, noch ist sie in der Kultur großgeworden. Sie entdeckt dieses Land nun ganz neu und lernt, so wie ich Französisch gelernt habe, Malayisch. Nur weil ich die Sprache eines Landes spreche, es viel bereist habe und teile der nationalen Identität zu verstehen glaube, heißt das noch lange nicht, dass ich Deutsch-Französin bin. Ihre Entdeckung, dass sie durch und durch Amerikanerin ist, amüsiert mich. Sie ist nicht die erste Amerikanerin der ich auf meiner Reise begegne, die mir erzählt dass sie „nicht nur Amerikanerin ist“. Ich weiß nie so ganz wie ich darauf reagieren soll. Ich bin einerseits belustigt darüber, dass jemand eine Nationalität für sich einfordert, die er nicht kennt. Andererseits scheint es eher um eine Rassenzuordnungen zu gehen als um die Nation. Mir ist klar, dass der Umgang der Amerikaner mit Immigration historisch gewachsen ist, jedoch frage ich mich, wie zielführend solche Zuordnungen sind, wenn das einzig asiatische an diesen Amerikanern die Form ihrer Augen sind. Überlegungen wie diese sind Teil meiner Horizontverschiebung. Ich stecke mittendrin, weit vom Verstehen entfernt.

 

*Falls euch die Texte gefallen, unterstützt mich auf Patreon!*

 

Write a comment

Comments: 0