Innerhalb weniger Stunden, nachdem ich über die georgische Grenze gezogen war, hatte ich mich Hals über Kopf in das Land verliebt. Allerdings hatte diese Begeisterung sich nach ungefähr drei Wochen bereits ein Stück weit relativiert. Ich war mir sicher, Armenien würde es schwer haben. Aber tatsächlich ist meine Begeisterung für dieses Land sehr langsam gewachsen. Armenien ist für mich nicht einfach zu genießen. Ich hatte eine ganze Menge von negativen Erfahrungen, die jedoch immer ein Gegengewicht in positiven Momenten hatten. Vor allem Yerevan hat es mir angetan, jedoch weiß ich, dass ich auch die Provinz ganz bezaubernd finden würde, wäre ich nicht alleine unterwegs.
Hier in Armenien ist zu zweit alles besser. Und da ich mich dazu entschlossen habe, nicht direkt zu meinen Gasgebern weiterzuziehen, sondern erst einmal in einem Hostel zu bleiben, mache ich mich auf die Suche nach anderen Reisenden. Ich buche eine Tour nach Dschermuk, einem kleinen Badeort unterhalb des Sewan Sees und nicht allzu weit von der aserbaidschanischen Grenze entfernt. Mit zwei jungen slowenischen Studentinnen und einer älteren russischen Dame setzen wir uns in das private Taxi. Wir fahren drei Stunden hin und drei Stunden zurück, sehen einen Wasserfall, einen europäisch anmutenden Badeort und fahren mit einer Seilbahn auf die herbstliche Skipiste. Die Landschaft ist bezaubernd und es entstehen hübsche Fotos, aber mehr auch nicht. Ich schaue aus der Sicherheit des Autos auf das Geschehen. Noch nie habe ich mich so alleine und isoliert gefühlt, so weit weg von dem Sinn meiner Reise und doch weiß ich ganz genau, warum ich das gerade nicht anders machen kann.
Die verbalen Übergriffe haben ganz reale Folgen für meinen Umgang mit meiner Umgebung. Ich kann das Erlebte nicht wie in Deutschland relativieren und mit „Shit happens“ auf den immer weiter wachsenden Stapel legen. Ich kann mich nicht entspannt, mit einem Lächeln auf den Lippen, in Sicherheit wiegen. Ich fühle mich nicht geschmeichelt, nicht wertgeschätzt und stehe ständig unter Druck. Ich lebe mit der Erwartung jeder Zeit angegangen werden zu können. Da ist so eine geplante Tour mit wenig Freude, aber viel Sicherheit genau die richtige Zeitverschwendung. Sie verschafft mir einen Tag Ruhe. Dieser reicht mir um zu entscheiden, so geht es nicht weiter. Das muss ich lernen. Also atme ich tief durch und fang an zu laufen...
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