Mein Besuch in Dilijan ist geprägt von dem im vorangehenden Post beschriebenen Vertrauensbruch. Ich hatte die Schnauze gehörig voll von Armenien. Dilijan ist eine nette kleine Stadt, aber die Stellung der Frau wurde mir hier immer beklemmender bewusst. Durch R., die ich in Alaverdi kennenlernte, bekam ich Kontakt zu I. und S., ebenfalls Freiwillige. Beide kommen aus Deutschland und bestreiten bereits seit einigen Monaten die armenischen Untiefen. Sie lernen die Sprache, können bereits lesen und haben einige spannende Momente erlebt. Da sie vom European Volontary Service entsandt wurden, haben sie einen armenischen Aufpasser. Das ist Segen und Fluch zugleich. Fluch, weil jede Bewegung beobachtet und kommentiert wird und Segen, weil er tatsächlich unverzichtbar ist. Diese ständige Beobachtung ist ganz typisch für dieses Land. Hier weiß jeder über jeden Bescheid.
In noch keinem Land wurde ich so oft gefragt, ob ich mit irgendwelchen fremden (oft alten) Männern schlafen möchte und auf mein Verneinen hin, wird mir im nächsten Schritt Geld angeboten. Auch die gemischten Schlafsäle in Hostels sind ein alles andere als sicherer Ort. (Allerdings war das nur bei mir so, ich habe Frauen getroffen, die in Armenien keine Probleme hatten, dafür in Georgien um so mehr.) Das erschüttert mein europäisches Ehrgefühl so nachhaltig, dass ich mich am liebsten in ein Land ohne Männer wünsche. Vor solcher Art verbaler Übergriffe kann ich mich hier nur dann schützen, wenn ich in männlicher Begleitung unterwegs bin und dann (bereits getestet) ist es wunderbar. Für die Männer natürlich nicht, die müssen mal schnell in die Seitenstraße abbiegen, ihre Dominanz etablieren und natürlich müssen sie die gesamte Zeche zahlen. (Meiner Meinung nach eine Unart in viel zu vielen Ländern. Daran werde ich mich nie gewöhnen können.) Für mein Empfinden sind das alberne Sinnlosigkeiten, sie machen mich sprachlos, wütend und trotzig.
In Dilijan spreche ich mit keinem, reagiere nicht auf das allgegenwärtige Gehupe der vorbeifahrenden Männer und stampfe mit all meiner Wut im Bauch los in den National Park. Erst als mir ein junger schwarzer Wildhengst über den Weg läuft, der nervös und mit respektvollem Abstand versucht, mir auszuweichen, versöhnt sich etwas in mir mit dem anderen Geschlecht. Ich weiß ja, die Guten gibt es überall.
Nach 23km Strecke und einem enttäuschend touristischen Besuch an einem Bergsee habe ich mich wieder so weit in der Hand, dass ich zumindest weibliche Gesellschaft genießen kann. Mit den Männern werde ich hier wohl nicht warm werden. Ich respektiere keine Machos, habe kein Verständnis für Arschlöcher und auch keine Lust die gleiche Luft zu atmen. Auch wenn wir nicht dieselbe Sprache sprechen, merken sie das schnell. Inzwischen ist es mir herzlich egal, inwiefern ich den Ruf meiner Landsleute ruiniere. Ich kann zum Glück einfach weiterziehen. (Die armenischen Frauen werden übrigens nicht so behandelt, wie die europäischen Frauen. Die Armenierinnen haben Brüder und Väter vor Ort, die auf sie aufpassen. Dazu kommt, dass man über schlechte Sachen nicht redet. So kommt es, dass es Armenier gibt, die mit großer Überzeugung davon reden, dass Yerevan die sicherste Stadt der Welt ist. Hier wurde noch nie jemand vergewaltigt oder ausgeraubt. Ich kann mir ein verächtlich-ungläubiges Lachen nur schwer verkneifen.)
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