DAS TOR ZU CHINA

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Das Tor zu China, Grenzposten Tibet/Nepal, China

Ein einfaches schwarzes Tor auf nepalesischer Seite wandelt sich auf chinesischer Seite in eine Betonburg. Etwas schüchtern laufe ich an den Wachsoldaten vorbei, in der Hoffnung, dass sie mich ignorieren. Und das tun sie. Der Betonbau hat zwei Flügel. Über dem einen steht ARRIVAL, auf dem anderen DEPARTURE. Ich gehe in den ARRIVAL-Terminal und werde prompt von den chinesischen Dienstoffizieren zurückgepfiffen. Keinen Schritt weiter, junge Dame! Ich werde auf eine grüne Plastikbank gesetzt und warte. Ich schreibe eine E-Mail an das Reiseunternehmen, weil meine nepalesische Sim gerade so noch funktioniert. Geplant war, dass ich am Morgen von der Grenze abgeholt werden sollte. Da Tibet Nepal zwei Stunden voraus ist, bin ich extra früh aufgebrochen. Am Ende komme ich um 9 Uhr an der Grenze an und trotzdem ist noch niemand da. Ich warte insgesamt fünf Stunden, weil ein Rechtschreibfehler in meiner Reisegenehmigung vorliegt und die Chinesen nur perfekte Papierunterlagen akzeptieren. Mein Reiseunternehmen scheint alle Hände voll zu tun zu haben, da sie mich vier Stunden lang vergessen. Alle sind freundlich zu mir, doch zu den anderen Reisenden und den tibetischen Fremdenführern sind die Offiziere es ganz und gar nicht. Hier merke ich endlich mal wieder, dass es Vorteile haben kann, eine Frau zu sein, die alleine reist. Die Chinesen scheinen Kavaliere zu sein.

Nachdem ich vier Stunden ohne Informationen auf meiner grünen Plastikbank gewartet habe, die Offiziere mit ein wenig uninspiriertem Ukulelespiel amüsiert habe, holt mich eine der anderen Fremdenführerinnen über die Grenze. Ich soll einfach mit ihrer Gruppe von 51 russischsprachigen Touristen mitgehen. Die sind zunächst gar nicht begeistert, dass sich eine Fremde unter sie mischt und fangen an, sich aufzuplustern wie Hühner. Aber da ich inzwischen ein wenig Russisch kann, verstehe ich genug, um schnippisch zu antworten und mich vorzustellen. Bald verstehe ich, warum sie sich so territorial aufführen. Es ist eine wildgemischte Gruppe allen Alters aus Russland, der Ukraine und Kasachstan auf „einer art“ spirituellen Reise. Ich sitze in einem der letzten Busse mit ausschließlich Frauen. Die Männer haben den starken Mann markiert und sind alle in den ersten zwei Bussen. Ein Verhalten, das ich wiedererkenne. Als ich den einzig noch verbliebenen Mann im Bus anspreche, weil er perfektes English spricht, kommt heraus, dass er Kanadier ist mit kasachischen Wurzeln (das erklärt auch, warum er mit russischer Männlichkeit nichts anfangen kann). Bald wird klar, dass diese Gruppe eine verrückte Mischung aus Nationalitäten und Charakteren ist, die sich nur schwer zusammen raufen können. Ein Pulverfass.

Am Hotel angekommen steigen wir aus, ich bekomme ein Einzelzimmer mit Bad und atme erleichtert auf. Das Zimmer ist schmuddelig und dunkel, aber es hat eine Tür, die ich schließen kann. Mich zieht es hinaus auf die Straße. Noch habe ich nicht verstanden wie dieses Land aussieht, wie man hier lebt und worum es geht. Nachdem mir meine Reiseagentur ein Abendessen spendiert hat, weil sie mich grausam vernachlässigt haben und alle Fehler von ihrer Seite verursacht wurden, schlendere ich durch die noch immer hellen Straßen von Ji long shè qu, dem klitzekleinen Ort, hinter der Sicherheitszone. Dort werden die Lasten von den nepalesischen LKW's auf chinesische umgeladen, damit sie unbescholten durch China fahren dürfen. Hier höre ich zum letzten Mal die melodiösen und langen Hupmelodien der buntbemalten nepalesischen Trucks.

Der Landeswechsel ist frappierend. Wo in Nepal steinige Feldwege zur Grenze führen, sind auf chinesischer Seite frisch geteerte Straßen. Wie auf der anderen Seite der Grenze sind die Berge steil und tiefgrün, die Kühe frei und oft genug ist man sich nicht sicher, ob es nicht Yaks sind. Vielleicht sind es auch einfach Yaks die geschoren wurden. Schließlich werden die Tiere hier zur Wollproduktion verwendet. Ich bin verwirrt, aber wichtig ist es am Ende nicht. Alle zwei Kilometer steht ein Kontrollposten an dem wir aussteigen und unsere Papiere vorzeigen müssen. Es ist ein Tanz, der sich schnell einspielt. Und trotzdem ich in einer riesigen Gruppe unterwegs bin, wird mein Alleinreisen immer kommentiert.

 

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