Als ich in Bakhtapur ankomme ist es später Abend. Die Sonne ist bereits untergegangen und die Straßenlichter beleuchten die alten Pflastersteine. Um in die Altstadt zu kommen, muss man hier einen saftigen Eintritt zahlen. Umgerechnet 15USD. Das ist eine Menge Geld für Nepal. Grummelnd greife ich in die Tasche. Als das Gasthaus meiner Wahl voll ist, steige ich um in ein Hotel. Es ist zu teuer für mich und nicht wirklich gut, aber was soll ich machen. Ich bin froh von der Straße weg zu kommen. Zwar fühle ich mich in dieser Stadt überraschend geborgen, aber so ganz traue ich dem Gefühl von Sicherheit nicht. Kaum angekommen in meinen vier Wänden, führe ich ein langes und seltenes Skypegespräch mit meinem großen Bruder. Es ist kalt, ich kuschele mich ins Bett, während ich die vertrauten Themen, die uns verbinden mit neuen Augen begutachte. Mein Bruder ist -wie sehr häufig- ganz anderer Meinung als ich und wie immer scheitere ich darin, meine Sicht der Dinge adäquat zu verbalisieren. Aber auch das ist ein Stück Puzzle, welches ich immer wieder aufnehme. Ich hoffe irgendwann richtig gut darin zu sein. Ich habe gemerkt, wie die Fähigkeit mich mitzuteilen durch das Reisen wächst.
Am nächsten Morgen gehe ich früh aus dem Haus, um die Stadt zu erkunden. Um zwölf Uhr möchte ich mich auf den Weg zu Fuß nach Nagarkot machen. Es bleiben mir dreieinhalb Stunden. Die Stadt wacht auf und in den Seitengassen laufen die Frauen zu den Brunnen, um Wasser für das Frühstück zu holen. Überall sieht man verfallene Häuserlücken. Die Trümmer sind fast unberührt. Der Staub allgegenwärtig. Auf einem Platz beobachte ich einen älteren Herren beim Sortieren von Trümmern. Ein Arbeitsschritt, den ich nur allzu gut kenne von den Restauratoren zu Hause. Aber auch ohne restauratorische Erfahrungen ist das Puzzeln etwas sehr Vertrautes. Etwas verschämt stehle ich ein Foto. Etwas, was ich mir geschworen habe niemals zu tun und einer der Gründe, warum man hier auf meinem Blog kaum Menschen auf Bildern sieht. Ich will nicht das Fremde, das Andere fotografieren, sondern das, was uns verbindet. In Bakhtapur ist der Puzzleman nicht der Einzige, der Erinnerungen an zu Hause wach ruft. Um die Ecke sehe ich einen Mann Zeitung lesen. Er tut dies mit einer Nonchalance, die mich an meine Mutter erinnert, die allmorgendlich Zeit mit der Lokalpresse verbringt. Sie würde sich in diesem Moment genauso wenig um ihre Umgebung kümmern, wie mein Zeitungsmann mit Ziege.
Ich bin vollauf begeistert von Bakhtapur. Die welligen Pflastersteine die das goldene Abendlicht verspielt aufsaugen, die alten Ziegelsteinhäuser mit den weißen oder blauen Fensterläden und die freundlich uninteressierten Einheimischen machen es zu einem Ort der mir lebenswert erscheint. Und doch zieht es mich weiter. Mich zieht es hinauf ins Bergdorf. In das „echte“ und „authentische“ Nepal.
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