AUF DEN SPUREN DER GESCHICHTE

English text
"Lost in translation" und doch irgendwie richtig, zumindest in meinen Augen, Jinghong, China

Jinghong ist eine junge Stadt. Möchte man etwas Historisches über diesen Landstrich wissen, muss man sich auf die Spuren der Minderheiten begeben. Die hier prominenteste Minderheit sind die Dai. Eines morgens nehmen C. und D. mich mit auf den Berg, an dessen Fuß der Fluss Lancang und ein namenloser Seitenarm ineinander münden.

Mekong und Jinghong im Spiegelbild, Jinghong, China
Fischer auf Gummiboot, Jinghong, China

Auf dem Weg treffen wir nur Einheimische, die meist mit ihren heruntergekommenen Mopeds Trinkwasser aus der uralten Quelle schöpfen. Dieses Erlebnis ist ein ganz anderes, als der Stone Forest bei Kunming. Hier wird kein Erlebnis verkauft. Als wir beim heiligsten Ort der heiligsten Orte der Dai ankommen, erwartet uns kein Tickethäuschen, sondern die Kulisse eines verlassenen Filmsets. Auch hier ist nichts original, aber wenigstens tut niemand so, als wäre es das. Trotz der zahlreichen filmischen Eingriffe in diesen Ort nutzen ihn die Einheimischen weiter. Unbeirrt hängen sie Girlanden in die Bäume, wandern zu den verschiedenen Pagoden, die auf dem Weg zum Palast liegen, schöpfen Wasser aus der heiligen Quelle und betreiben eine Kautschukplantage direkt hinter dem Palast. Es ist die erste, die ich auf meiner Reise sehe und ich bin fasziniert. Die wie eine Perlenkette aufgereihten Bäume sind spiralförmig gehäutet worden, sodass das wertvolle Blut in dem am unteren Ende der Spirale befestigten Gefäß gesammelt werden kann. Zumindest sieht es so aus, als würde es so funktionieren. In Wahrheit habe ich keine Ahnung. Da die Mücken sich hier oben über unseren Besuch am meisten freuen, eilen wir zurück über die pittoreske Brücke zum mückenärmeren Palast zurück, um zu frühstücken.

Hoch auf den Berg, Jinghong, China
Bushaltestand oder Verkaufsstelle? Ich habe mich fürs erstere entschieden, Jinghong, China
"Sleeping Beauty", Jinghong, China
Meine Gastgeber beim Sammeln von schönen Dingen vor der Pagoda im Morgendlicht, Jinghong, China
Der Königspalast (die Filmkulisse), Jinghong, China
Der Königspalast (die Filmkulisse), Jinghong, China
Kautschukplantage, Jinghong, China
Die Quelle, das (vor-)letzte Original, Jinghong, China

C. und D. haben vorgesorgt und vom Supermarkt in unserem Gebäudekomplex Brot und Kuchen mitgebracht. Wir verschmausen mit viel Enthusiasmus das kleine Fest und begeben uns alsbald auf den Rückweg. Geht man denselben Weg hoch und runter, erlebt man zwei verschiedene Perspektiven. Auf dem Weg ist mir eine Bushaltestelle und eine Seilbahn entgangen. Beides ist alt, wahrscheinlich noch von vor der Kulturevolution, von Bäumen und Unkraut eingewachsen und gut getarnt. Das ist ein Ort, der mich fasziniert. Hier ist Zeit spürbar. Neues legt sich über Altes. Es entsteht ein spannender Teppich aus Artefakt, Natur und Mensch. Nichts ist aufbereitet. Es gibt keine Vitrinen, keine anderen Touristen, nur das stetige Kommen und Gehen der wasserholenden Dai.

 

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Comments: 1
  • #1

    Elisabeth&Hartmut (Saturday, 11 August 2018 20:22)

    Liebe Bella, wir sind nun aus dem Urlaub aus dem wunderschönen Mecklenburg zurückgekehrt und lesen deine Berichte mit Spannung weiter.
    Die Kautschukgewinnung erinnert uns an die Harzgewinnung zu DDR-Zeiten. Die Kiefern wurden keilförmig eingeritzt und das Harz lief über eine vertikale Rinne zum Sammelbehälter. Nach der Harzgewinnung wurden diese Bäume gewöhnlich gefällt. Einige Kiefern mit Narben findet man zum Teil noch in Mecklenburg.
    Liebe Grüße von Elisabeth und Hartmut