Wenn ich in irgend etwas ein Profi bin, dann im „im Ausland sein.“ Hier in Samara ist es mein viertes Mal, dass ich in einem Land bin, die Sprache nicht kann, mich in eine neue Umgebung eingewöhne und versuche, eine neue Sprache zu lernen. Langsam kenne ich die Probleme, die sich mir stellen und langsam weiß ich wie ich mit ihnen umgehen kann. Ich kenne die Schritte, die ich durchlaufen werde, bevor ich mich das erste Mal richtig wohl fühle. Natürlich gibt es kleine Unterschiede, aber häufig sind meine Reaktionen ähnlich. Diese Schablone gibt mir Sicherheit in meiner Kommunikation über meinen Lernweg. Ich kann plötzlich sagen wo ich mich befinde, was ich später wahrscheinlich können werde. Das fasziniert mich.
Hier in Russland dauert alles ein wenig länger als in Europa. Es gibt weniger grundsätzliche Gemeinsamkeiten, mehr Kulturschock, wenn man das so nennen möchte. Es gibt unglaublich viele interessierte und interessante Menschen. Mit ihnen fällt mir der Umgang schwerer als mit den Nebeneffekten Einsamkeit oder Verwirrung. Um die richtigen Menschen zu finden, muss man eine ganze Menge von ihnen treffen. Jedes Treffen ist witzig und häufig auch anstrengend. Bisher halte ich es so, dass ich mich mit den Meisten vor allem auf English oder Deutsch unterhalte. Westliche Ausländer sind in dieser Millionenmetropole ein rares Gut und da die Jugend häufig diese beiden Sprachen lernt habe ich eine gute Auswahl an potentiellen Konversationspartnern. Da ich kulturell minderbemittelt bin, zumindest was dieses Land angeht, gibt es auch so eine ganze Menge zu erfragen und zu hinterfragen. Landeskunde, so wie ich sie am liebsten lerne. Mein Russisch ist bei weitem noch nicht gut genug um eine Konversation lebendig zu halten, aber ich arbeite daran. Erst heute habe ich im Rollenspiel mit meiner Russischlehrerin einkaufen geübt. Wir kamen uns beide reichlich bescheuert vor und zwischen Kichern und Verlegenheit habe ich glaube ich ein paar zentrale Förmlichkeiten begriffen, so dass ich ab jetzt bei der routinierten Konversation an der Supermarktkasse, nach der Frage mit der Tüte, nicht mehr immer nur mit „njet“ antworten muss. Ist doch dies, neben dem Überqueren des Zebrastreifens, die nächste mir Unbehagen bereitende Situation.
Letztes Wochenende war ich beim Stammtisch des Goetheinstituts hier in Samara und wer hätte das gedacht, ich bin nicht die einzige Hallenserin in dieser Stadt. Manchmal ist eine Dosis Vertrautheit verdammt schön. Wir haben uns gar nicht intensiv unterhalten, nur das oberflächliche Abklären einiger Lebenspunkte, bei denen wir gemeinsame Referenzpunkte haben, war ausreichend, um mich mit einem Schmunzeln auf den Lippen nach Hause zu schicken. In manchen Momenten ist die Welt plötzlich ganz klein, bis sie sich wieder in ihrer vollen Größe und Schönheit entfaltet und wir begreifen, dass diese Greifbarkeit trügerisch ist. In Halle wären wir nie miteinander ins Gespräch gekommen und Halle ist ein Dorf. Dass wir uns in Samara begegnen, liegt daran, dass in der Fremde unsere Gemeinsamkeiten viel dominanter erscheinen, als unsere Unterschiede. In Samara ist die Welt ein Dorf. In Halle ist das Dorf voller Welten.
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