SANKT PETERSBURG

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Sankt Petersburg, Russland

Der dritte Tag war ganz der Erkundung der Stadt gewidmet. Es war immer noch bitter kalt. -25 ° C und ich hatte Mühe meine Gliedmaßen lebendig zu halten. Meine Nasenflügel fühlten sich zwischenzeitlich an wie mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Ein komisches Gefühl. In den Schaufenstern kontrollierte ich regelmäßig, dass sich kein Eiszapfen an meiner Nase bildet. Meine Wangen, Nase und Hände waren von der Kälte knallrot und im Laufe des Tages begann ich ernsthaft zu überlegen, mich einfach in mein Bett zu legen. Ich widerstand dieser paradiesischen Träumerei und ging weiter. Schließlich hatte mich die Idee besonders gereizt, diese Stadt im Winter zu besuchen.

Stadtkarte Sankt Petersburg, Russland

Die kalte Wintersonne durchflutete alles. Der Fluss war breiter als irgendein Fluss, den ich jemals gesehen habe. Der Himmel färbte sich in einen zarten Rosaton, den ich hier vorerst zum letzten Mal sehen würde. Es gibt nur Weniges, was solchen Sonnenauf- und -untergängen an Schönheit gleich kommt. Alles sieht aus wie in einem Märchen. Es ist egal worauf das Licht fällt, es taucht alles in Watte, ohne aufdringlich zu sein. Die Farben sind entsättigt und doch intensiv. Das hier ist kein Sonnenuntergang aus der Werbung, laut und das Paradies vorgaukelnd. Er dauert lang und breitet sich bis in die letzen Ecken der Stadt aus. Ich werde die Wintersonne sehr vermissen.

Sankt Petersburg, Russland

Denkt man sich die abenteuerlichen Stromleitungen zwischen den Häusern weg, dann fühlt man sich in lang vergangene Tage zurückversetzt. Die hell erleuchteten Palastfenster, die sich nicht selten in Eispfützen spiegelten, die riesigen von Skulpturen getragenen Portale zu denen breite Auffahrten für Kutschen führten, erzählten von der Zeit, als das Zarenreich noch groß und mächtig war. Zwischen all dem Prunk in Sankt Petersburg leuchtete es mir völlig ein, dass dieser Adel abgeschafft werden musste. Vor allem wenn man eine Vorstellung von den kleinen, nur kläglich die Kälte abhaltenden Bauernhöfen hat, in denen die Mehrheit der Menschen in Russland lebten.

Sankt Petersburg, Russland

Diese Stadt zu sehen machte mir große Lust auf all die Romane, die es in der Russischen Literatur für mich noch zu entdecken gibt. In meinem Literaturstudium konnte ich mich erfolgreich um die Russen drücken. Aber jetzt freue ich mich schon auf den Tag, an dem ich den ersten Satz entziffern werden können. Ob ich es tatsächlich schaffe, die ganz großen Autoren im Original zu lesen, weiß ich ehrlich gesagt nicht.

Sankt Petersburg, Russland

Die kyrillischen Buchstaben könnten für mich auch Chinesische Zeichen sein. Nur dank meiner Englischsprachigen App schaffte ich es, mich in St. Petersburg frei zu bewegen. Selbst die einfachsten Worte kamen nicht über meine Lippen. Mit Händen und Füßen schaffte ich es, mir Proviant zu organisieren und blieb ansonsten isoliert in der Masse. Hier sprach niemand Englisch. Wenn jemand sagt, er spreche Englisch, bedeutet das oft, dass er einmal in ein Buch hineingeschaut hat. Vom Sprechen ist man weit entfernt. Etwas Gutes hat das jedoch. Ich werde zwangsläufig Russisch lernen müssen. Daran wird kein Weg vorbei führen.

Sankt Petersburg, Russland

Dank meiner wunderbaren Gastgeber schaffte ich es, mir ausgesprochen günstige Zugtickets nach Moskau und Samara zu kaufen. Bestens ausgestattet brach ich also aus der Stadt des Zaren auf. Da ich morgens in echter Bellamanier ein wenig knapp dran war, wurde ich auf Schleichwegen zum Hintereingang des Moskauer Bahnhofs gebracht. (Die Bahnhöfe sind hier nach ihrem Ziel benannt. Die Züge nach Moskau fahren vom Moskauer Bahnhof aus, die Züge nach Finnland, am Finnischen, usw., usw.) Ich darf in der Dunkelheit durch Hinterhöfe eilen und den Einheimischen bei ihrem Weg zur Arbeit begegnen. Anstelle durch drei Sicherheitsschleusen zu müssen, umgehe ich dank der einheimischen Trickserei nur eine und schaffe meinen Zug nach Moskau ohne Probleme.

Sankt Petersburg, Russland

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