JOULUPUKKI - EIN FINNISCHES WEIHNACHTEN

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Jeder bekam ein Paar Wollstrümpfe, Kalajoki, Finland

Meine Gastfamilie war so nett, mich zu ihren Feierlichkeiten einzuladen. Wir fuhren ungefähr 600km in den Norden, zu den Eltern meiner Gastmutter nach Kalajoki. Kalajoki ist im Sommer das Las Vegas von Finnland. Im Winter ist hier „tote Hose“. Es ist nicht weit genug im Norden um im Dezember bereits schneefest zu sein, was heißt, dass die zu dieser Jahreszeit beliebten Zeitvertreibe (Skifahren, Schneemobil fahren, etc.) nicht sicher ausgeübt werde können. Die meisten Finnen pilgern zu Verwandten oder direkt nach Lappland. Ob ihr es glaubt oder nicht, obwohl bereits Anfang November zwanzig Zentimeter Schnee bei uns lagen, sind die bis zum Dezember wieder abgetaut. Wir fuhren schnee- und eisfrei von Helsinki ab. In Kalajoki kamen wir auf gründlich vereisten Straßen an, es lag zwar Schnee, aber der war bereits gräulich und alt. Schauer waren zwar angekündigt, jedoch war noch nicht klar, ob die als Regen oder Schnee fallen würden. Ich hatte auf ein magisches weißes Weihnachten gesetzt und fing bereits an mir Tricks zu überlegen, wie ich trotzdem an schöne, schneeverhangene Fotos käme.

5 Zentimeter Eis, Kalajoki, Finland

Am nächsten Morgen, dem 23. Dezember, wachte ich im Dunkeln auf. Ich hörte die Kinder im Nebenraum herumtollen und jemanden in der Küche werkeln. Noch ziemlich verschlafen tastete ich nach meinem Handy, welches irgendwo in Schreibtischnähe lag. Es war 9.30 Uhr. Ich lag in dem Jugendzimmer meiner Gastmutter und heutigem Arbeitszimmer ihrer Eltern. Ein alter Windowsrechner brummte dort tagsüber stetig vor sich hin. Draußen war es noch stockdunkel. Mein Zeitgefühl war von den kurzen Sonnenstunden gründlich durcheinander gebracht worden. Nicht dass die Sonne hier überhaupt nicht scheinen würde, jedoch ist das Licht ganz anders. Wenn keine Wolken am Himmel sind, ist der Sonnenaufgang und der Sonnenuntergang jeweils gute zwei Stunden lang. Das Licht ist warm, fast golden und steht in starkem Kontrast zu dem kalten Schnee. Wenn eine Wolkendecke wie ein riesiger Diffusor über dem Himmel hängt, sind die Sonnenstunden viel länger. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sind kaum spürbar. Das Licht ist innerhalb von zehn Minuten einfach weg. Demnach sind die sechs Stunden Sonnenlicht an einem solchen Tag fast wie ein voller Tag zu Hause. Wenn gutes Wetter ist und man die Pracht des Sonnenlaufes ganz auskosten kann, ist es als wäre der Tag vier Stunden lang angefüllt mit epischem Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Obwohl mich das jedes mal verzückt, habe ich mich noch nicht daran gewöhnt. Ich beginne zehn Minuten nach Sonnenuntergang müde zu werden. Beim Aufstehen geht es mir ähnlich. Jeden morgen empfinde ich es so, als würde ich sehr früh aufwachen. Jedoch schlafe ich nie weniger als acht Stunden. Dieses Gefühl der Zeitlosigkeit – ich gehe um elf oder zwölf schlafen und fühle mich wie Nachts um drei oder sechs Uhr morgens – regelt sich nur dadurch, dass ich von erfahrenen Finnen umgeben bin. So lange ich ungefähr ihrem Rhythmus folge, ist alles gut.

Die gloriose Wintersonne, Kalajoki, Finland

Obwohl meine finnische Familie Englisch und Deutsch spricht, tun das unsere Gastgeber nicht. Ich tauche komplett ein in die fremde Sprache. Zum ersten Mal höre ich Unterschiede in der Art und Weise wie sie reden. Der Vater meiner Aupairkinder, spricht hart, zackig und mit einem mittelstarken rollenden [r], die Großeltern dagegen ganz weich und gemütlich, wogegen die Freundin des Bruders schnell, rund und mit einem kräftig rollendem [r] spricht. Hier ist Südfinnland, Mittelfinnland und Nordfinnland an einem Tisch versammelt. Ich bin noch weit davon entfernt irgendetwas zu verstehen, geschweige denn die Akzente zuordnen zu können, aber es fühlt sich toll an so einzutauchen.

Das weihnachtliche Festmahl, Kalajoki, Finland

Jeden Tag gibt es reichlich zu essen. Wobei jedes Essen ähnlich abläuft. Immer gibt es dasselbe, damit es nicht langweilig wird, kommt jeden Tag etwas Neues hinzu. Auf dem Tisch stehen somit immer eine Reihe von Salaten, Pasteten, eingelegten Fischen und selbstgekochtem Schinken (noch nie habe ich so etwas Köstliches gegessen). Zum Nachtisch gibt es verschiedene Kuchen. Einer ist leckerer als der andere. Jeden Tag esse ich mich satt, jedoch nie so satt wie in Deutschland, da ich die einzelnen Salate bereits am Vortag gegessen habe und weiß, dass sie auch am nächsten Tag auf dem Tisch stehen werden. Da es diese Gerichte vorwiegend an Weihnachten gibt, ist es auch für niemanden schlimm, sie so häufig nacheinander zu essen. Ganz im Gegenteil, alle haben sich das ganze Jahr auf sie gefreut. Alle werden satt, aber niemandem ist schlecht.

Die Kinder schmücken den Baum, Kalajoki, Finland

Am 24. Dezember kommt Abends der Joulupukki, der Weihnachtsmann. Die Kinder sind alle herausgeputzt in ihren roten Weihnachtsklamotten, mit roten Zipfelmützen und feschen Westen. Mit ein bisschen Zeremoniell und Gepolter bahnt der Joulupukki sich den Weg zum größten Sessel im Wohnzimmer und lässt sich schnaufend fallen. Dann singt die ganze Familie ein finnisches Weihnachtslied, um die Kinder beim Willkommen heißen zu unterstützen. Als Antwort gibt der Joulupukki ein kurzes Dankeschön, wir scheinen einen schüchternen Weihnachtsmann erwischt zu haben. (Oder ist er Finnisch?) Er beginnt ein Geschenk nach dem anderen an die Umstehenden zu verteilen. A. und M. nehmen zunächst alle Geschenke entgegen und liefern sie dann bei den entsprechenden Adressaten ab. Große Freude entsteht bei den verschiedenen Reaktionen auf Größe und Verpackung des Pakets. Vor allem der Onkel schafft es mit seinem urigen Freudenschrei den Spaß aller zu vermehren. Die Kinder fangen an riesige Geschenkberge zu horten. Es ist fast aufregender, ein Geschenk zu bekommen, als es auszupacken oder das Geschenk selbst. Im Raum liegt eine wunderbare Atmosphäre von Erwartung, Freude und Gelassenheit. Beim Auspacken stellt sich schnell heraus, dass bei den Kindern klare Renner dabei sind. Sofort wird das Prinzessinnenkleid angezogen, die Tiara poliert und aufgesetzt. Sie wird sie bis zur Abfahrt nicht mehr absetzen. Die Jungen stürzen sich in ihre Legoninjagokostüme und kämpfen miteinander. Insgesamt ist es ein gemütlicher und besinnlicher Weihnachtsabend gewesen. Nach einem festlichen Mahl und vorzüglichem Nachtisch, schleichen wir uns einer nach dem anderen ins Bett.

Der Joulupukki verteilt die Geschenke, Kalajoki, Finland

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Comments: 2
  • #1

    Yvonne (Wednesday, 22 February 2017 22:21)

    Verkleiden sich alle, also Groß und Klein als Wichtel?

  • #2

    Bella (Thursday, 23 February 2017 07:18)

    Nur die Kiddos! :-)