DIE ERSTEN WOCHEN IN VANTAA

English text
Reste von der Apfelernte, am Baum vor dem Haus, Vantaa, Finnland

Der Schnee der ersten Wochen in Vantaa verwandelte die aufregendste Zeit in einen vorweihnachtlichen weißen Traum. Ich lernte über das Wochenende alle Familienmitglieder und die kleine hölzerne Kapelle kennen, die etwas weiter in Richtung Dorf an der Straße lag. Klein, rot, mit weißen Giebeln und dunklen Fensterläden entsprach sie dem skandinavischen Baustil, den ich im Norden erwartete. Es war eine typische Dorfgemeinde, mit kleinem Kirchenchor. R., meine Gastmutter, begleitete ihn mit ihrer Geige und A., der älteste Sohn, las den Text vom Sonntag. Mir wurde sofort versichert, dass sich das nicht wöchentlich wiederholen würde. Falls ich nicht gläubig wäre müsste ich auch bestimmt nicht mitkommen. Wir fanden schnell heraus, dass wir in vielen Aspekten aus ziemlich ähnlichen Haushalten stammten und unsere Einstellung zum Glauben eher entspannt als doktrinär war. Die skandinavischen Kirchenlieder hatten meistens wenig mit den deutschen gemein. Es war trotzdem lustig, diese fremde Sprache direkt einmal nachzuahmen. Ich fühlte mich so erfolgreich, dass mich die skeptischen Blicke der Kinder nicht aus dem Konzept bringen konnten. Übermut war schon immer eine meiner Stärken.

Die hübsche kleine Dorfkapelle, Vantaa, Finnland

Mit den beiden Jungs, der ältere ist zehn, der jüngere sechs, kam ich schnell in Kontakt. Die Scheu am Anfang fiel von ihnen ab, nachdem Rane, der Hund, die Vorarbeit leistete und sich ausgiebig von mir kraulen ließ. Die beiden Katzen, die parallel zur Familie im Haus lebten, sah ich in den ersten Wochen nur wenig. Wie die Jüngste waren die ein bisschen scheuer. Tapfer schwiegen wir uns am Anfang an. Die direkte Kommunikation war mit allen dreien schwierig. Ich konnte nicht einschätzen, wie gut die Kinder Englisch konnten. Erst viel später erkannte ich, dass ich mit dem Mittleren im Prinzip Deutsch reden konnte. Auch wenn er nicht jedes Wort verstand, so doch den Sinn fast immer. Die Kommunikation mit den Eltern lief ganz ohne Probleme. R.s Deutsch ist nahezu perfekt und B.s (der Gastpapa) Englisch sehr gut. Außerdem ist R. Projektmanagerin und die Googletabelle für die Organisation der Familie demnach wunderbar strukturiert, was 50% der Kommunikation und Unsicherheiten beseitigte.

20 Zentimeter Schnee und das im November! Vantaa, Finnland

Bevor wir uns gemeinsam in die erste Woche stürzten, nahm sich B. ein bisschen Zeit und ließ sich von mir herumkutschieren. Er leitete mich durch das Wirrwarr von nahezu weißen Straßen, vorbei an den Kindergärten, Schulen, Fußballhallen bis hin zur Musikschule. Er hatte mir jeden Ort, zu dem ich in der kommenden Woche fahren musste, gezeigt und erklärt worauf man beim Fahren im Schnee achten muss. Zum ersten Mal in meinem Leben fuhr ich ein Auto mit Allradantrieb und natürlich hatte ich in dem weißen Schlitten keine Probleme. Meine tägliche Parcoursfahrt von Kindergarten zu Kindergarten allerdings brachte ein paar Tücken mit sich. Den einen oder anderen ungeräumten Hang und ein paar scharfe Kurven würde ich im roten Ford (Rückradantrieb) nicht meistern, ohne ein bisschen zu schlittern.

Das gelbe Haus mit rotem Stall und Katzenspuren im Schnee, Vantaa, Finnland

Der Schnee war nicht von langer Dauer. Er schmolz tagsüber, um dann in der Nacht zu Eis zu gefrieren. Am Ende der Woche schneite es ein bisschen, sodass das Eis von Schnee bedeckt war. Zu Hause hätte man unter diesen Umständen und wegen der Rutschgefahr Wollstrümpfe über die Schuhe gezogen. Hier nicht. Um vom gelben Holzhaus auf die Straße zu fahren, muss man zunächst den zum Haus dazugehörigen Privatweg runter- und wieder hochfahren. Mit etwas Schwung schaffte ich das problemlos, jedoch war die Sicht auf die Straße so schlecht, dass ich mich erst einmal vortasten musste, um Einsicht in die Gegenfahrbahn zu erlangen. Damit man in dieser Situation nicht langsam den Hang wieder runterrutscht, sollte man einen gewissen Punkt erreicht haben. Am Anfang hoffte ich jedes Mal inständig, dass mir niemand entgegenkam und gab kurz vor der Kante nochmal Gas. Ich hatte Glück und niemand kam. Es dauerte einige Tage bis ich für diese Stelle das richtige Gefühl hatte und sie nehmen konnte, ohne das Auto und mein Leben zu riskieren. Dasselbe galt für den Hang, die Kurven und den Kreisverkehr, aus dem ich in den ersten Wochen nicht selten sehr langsam oder leicht schlenkernd herauskam. Am Ende hilft beim Fahren im Schnee nicht ein magischer Trick, sondern allein das Gefühl, wann man Gas geben sollte, wann mit und wann dagegen lenken sinnvoll ist. Für mich hatte sich die gesamte Aktion schon nach der ersten Woche gelohnt. Denn seit meiner ersten Woche hier ist mein größtes Problem beim Fahren im Schnee, die Straße zu erkennen.

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Comments: 2
  • #1

    yvokiwi (Thursday, 19 January 2017 17:10)

    Autofahren ist also nie wieder ein Problem. Da hat sich die Reise schon gelohnt.

  • #2

    Isabelle (Friday, 20 January 2017 23:21)

    Naja, war es ja schon etwas länger nicht mehr, aber ich weiß jetzt zumindest noch einmal mehr... ;-)