Diese Insel ist ein unglaublich schöner Ort. Es gibt alles, was ich zum Leben brauche und noch viel mehr. Meine Gastgeber bemühen sich rührend um mich und geben mir alle erdenklichen Tipps. Das Ende des Herbstes ist hier bereits spürbar, das Licht hat eine winterliche Qualität und die Nächte sind bitterkalt und sternenklar. Der Lebensrhythmus, der durch das Feuer diktiert wird, verliert seine Anziehungskraft die ganzen sieben Tage nicht. (Ich muss, muss, muss wiederkommen.)
Weil unter meinem Dachboden ein Schuppen ist, der eine Reihe von gut ausgestatteten Mountainbikes behaust, leih ich mir eins, um in die Stadt zu kommen. Ich habe mal wieder ohne Erfolg auf den Mittagsbus gewartet, (der kommt nur am Wochenende, dafür reichte jedoch mein Estnisch nicht) und muss irgendwie anders rumkommen. Ich habe keine Lust wieder einmal die 6,9 Kilometer zu laufen. Also rauf auf den Drahtesel.
Auf dem Weg nach Kuressare machte ich einen kleinen Abstecher ins Naturschutzgebiet. Ich wandele auf alten Waldwegen von einem uralten Eichenhain zum nächsten. Die Böden sind von Wildschweinen aufgewühlt und in den abgestorbenen und ausgehöhlten Ästen und Baumstämmen der Eichen hausen Fledermäuse. Es ist idyllisch und unheimlich historisch. Die Bäume hier haben beide Weltkriege überlebt, die russische Besatzung und die Unabhängigkeit Estlands. (Und das ist nur die Historie an die ich mit meinem Vorwissen anknüpfen kann.) Sie sind über 400 Jahre alt und wunderschön gewachsen. (Die wunderschön gewachsenen zeige ich euch ein anderes Mal.) Sehr prachtvoll. Diesem Weg folgend komme ich langsam ans Meer. Dort treffe ich diese drei Schafe. Gerne hätte ich sie mitgenommen.
Kuressare ist eine kleine, aber sehr feine Stadt. Dort laufen die meisten Wege der Insel zusammen. Kuressare ist sozusagen das Rom von Saaremaa, nur hat man es, anders als Rom, in zwei Stunden erkundet. Die größte Attraktion ist die fast unversehrte Burg in Strandnähe, vollständig umgeben mit einem Befestigungsgraben, der sich sehen lassen kann. Bei der Dämmerung und bei Sonnenschein spiegelt sich die Burg bezaubernd im fast stehenden Gewässer. Die Herbstbäume betrachten sich samt ihrer goldenen Haarpracht eitel im Wasser und punktuell gibt es frei zugängliches Wifi.
Falls irgendjemand auf der Suche nach einem Urlaubziel ist, was ein wenig außerhalb des deutschen Mainstreams liegt, dann kann ich euch Saaremaa sehr empfehlen. Besonders im Herbst, im Sommer könnten die Mücken recht nervig werden, aber das muss man ausprobieren. Die Einheimischen sind der Meinung dass es nicht weiter schlimm ist, aber das sagen sie in Finnland auch...
Falls ihr auf der Suche nach Kultur seid und keine Lust habt euch vorher zu belesen, könnte das hier eine Enttäuschung werden. Es gibt reichlich Kultur, nur muss man sie sehen und erkennen. Baustil und Geschichte haben wenig mit dem zu tun was wir in Zentraleuropa in der Schule lernen. Die Natur ist zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter atemberaubend. Die Esten wissen dass und kommen daher im Sommer zahlreich auf die Insel. Ich war in diesem AirBnB und kann es absolut und ohne vorbehalte weiterempfehlen. Es wurde sich rührend um mich gekümmert und gleichzeitig überließ man mich mir selbst. Alleine, in einer Gruppe oder zu zweit, mit Auto, Bus, Fahrrad oder per Anhalter kann man sich hier wunderbar bewegen und Abenteuer ganz an die individuellen Bedürfnisse angepasst erleben.
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yvokiwi (Wednesday, 21 December 2016 16:58)
Das werden wir 2017 mal angehen, zumindest wäre das ein Projekt -Saaremaa.
Bella (Wednesday, 21 December 2016 19:16)
Großartig! Viel Spaß! :-) Dann werdet ihr es bestimmt zu den Mühlen schaffen! Sag Matthi er soll für mich mitfotografieren! (Ich habe häufiger an euch gedacht und musste inmitten der Eichenhaine auch tatsächlich an Sylvie denken. Ha!)
Yvokiwi (Tuesday, 27 December 2016 20:31)
Sylvie hat ihre Eichen auch in Nordfinnland, soweit ich weiß, aber ich frage sie nochmal. Forschungseichen