Mein Besuch in Polen hat starke Eindrücke hinterlassen und wenn ihr mir auf Instagram folgt, habt ihr dieses Bild schon mal gesehen... Es ist ein ganz normales Hochhaus in Swinouscje. Ich war beeindruckt von seinem freundlichen Äußeren und der Sorgfalt, die die Bewohner mit ihm walten ließen. Es steht in krassem Gegensatz zu dem, wie diese Häuser in Deutschland aussehen. Für mich zeigt dieses Bild, welche Art von Lektionen ich gelernt habe, seit ich Deutschland verlassen habe. Sie sind klein und zumeist belanglos, aber sie sammeln sich an.
Hier sind einige Beispiele...
E&P (das Paar, das ich besuchte) wussten genau, wo ihr Platz in der Gesellschaft war, was sie wollten und wohin sie gingen, ganz anders als ich. Jede Entscheidung, die ich in den letzten 10 Jahren getroffen habe, haben sie anders getroffen. "Anders" ist das einzige Wort, an das ich denken kann, um die beiden zu beschreiben, ohne ein Urteil zu implizieren. Gleichzeitig ist "anders" ein so unspezifisches Wort, um jemanden zu beschreiben, weil es nur in Bezug auf etwas anderes etwas bedeutet. Ich werde versuchen, spezifischer zu sein, ohne zu viel aus dem Nähkästchen zu plaudern:
Ihre Reaktion auf Widerstand ist, ihren Boden (mit großer Anstrengung und Demut) zu bewahren und konsequent ihrem Ziel entgegen zu arbeiten. Das Ziel ist eine Familie, ein Ort zum Leben, vielleicht ein Haus. Ihr Weg zu diesem Ziel ist ein Beruf, ein Job, und liegt in den Konflikten mit jeder ihrer Familien und ihrem Glauben. Familie ist Erfüllung. Vor allem ihr Umgang mit dem Glauben beeindruckte mich. Meine Reaktion auf Vorschriften und von außen definierte Begriffe von Gut und Böse ist unmittelbare Opposition. Meine Nackenhaare stellen sich auf und mein Zeigefinger wandert an meine Stirn. So ein Unsinn! (Wagt es nicht, irgendwelche Versuche zu unternehmen, mein Leben zu regulieren und seid froh, wenn ich überhaupt in eure Kirchen komme.) Ich gebe nur so viel "Gutes", wie ich kann oder will und das ist total in Ordnung für mich. Das "Gute" wird von mir definiert. Es muss freiwillig, ungebeten und von Herzen kommen. Für mich hat das mehr mit Menschlichkeit und Gemeinschaft zu tun als mit Religion. Diese Gedanken würden den beiden niemals kommen. Trotz meiner Einstellung bin ich sehr beeindruckt von der Tatsache, dass jemand diese altmodischen Regeln befolgt und in der Konsequenz einen Balanceakt vollführt. Die beiden setzen sich ernsthaft mit diesen Regeln auseinander, bis sie deren Kern erreichen und sie lebenswert machen.
E&P nahmen mich mit zu einem Gottesdienst in ihrer Kirche. Zu meiner Überraschung war es wunderbar. (Ich war gewarnt worden, dass Messen in Polen außergewöhnlich lang sind.) Trotz meiner evangelischen Erziehung und Vertrautheit mit dem katholischen Glauben (ich besuchte eine katholische Schule), war die Erfahrung in diesem Gottesdienst etwas Besonderes. Der Glaube in Polen wird ernster genommen und mehr Menschen nehmen die Mühe auf sich zu kommen. (Eine so volle Kirche sieht man bei uns nur an Weihnachten.) Fast alle kamen in Sonntagskleidung und sahen sehr hübsch aus. Die Intensität der Gemeinde an diesem Tag war fühlbar und es half, dass der Priester ein phänomenaler Entertainer war. Eine wirklich schöne Erfahrung.
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Jule (Saturday, 12 November 2016 16:27)
Liebe Bella,
es macht viel Freude deinem Blog zu folgen.
Danke für die spannenden Eindrücke und kritischen Gedanken.
Bernadette und Jule
Bella (Saturday, 12 November 2016 18:39)
Liebe Jule&Netti,
vielen Dank! :-) Ich freu mich sehr, dass ihr mitlest!
Liebe Grüße aus dem wunderschönen Finnland