Abschied nehmen ist schwierig. Ich würde soweit gehen zu sagen, dass ich es verlernt habe. Durch das Internet scheint ein Abschied nie absolut zu sein und kann jeder Zeit durch ein Skypegespräch abgemildert werden. Jedoch kann nichts miteinander verbrachte Zeit aufwiegen und wann schafft man es, sich zu einem Skypegespräch zu treffen? Jetzt mal ehrlich...
Wenn man sich – wie ich – für einen nicht weiter bestimmbaren Zeitraum verabschiedet, dann zieht das einiges nach sich. Auch wenn die Wahrscheinlichkeiten eher so stehen, dass ich bereits in sechs Monaten – oder wenn ich das Budget zu strecken weiß, in 12 Monaten – wieder zurückkehre, dann führt allein die Möglichkeit, dass ich es auf fünf Jahre ausdehnen könnte, dazu, dass die Verabschiedung sorgfältig gelebt werden muss. In fünf Jahren ist mein jetzt fast 6-jähriger Neffe fast 11. Ich werde dann seine gesamte Grundschulerfahrung verpasst haben, war nicht bei der Einschulung, habe mindestens einen Meter seiner Wachstumsphase verschlafen und, dass er mir mit 11 Jahren noch die Fußnägel lackiert, wage ich auch zu bezweifeln. (Oh memories!) Ich kann nicht einfach mal vorbeischauen und sehen, ob er sich mit seinem Skateboard schon auf die Halfpipe traut oder über die Bordsteinkante springt. Für die gesamte Zeit bin ich einfach nicht da. Das ist einer der höchsten Preise, den so ein wundervolles Abenteuer kostet. Ähnlich geht es mir mit meiner Oma. Meine Erwartung ist, dass sie die nächsten fünf Jahre locker schultert, Erwartungen sind jedoch keine Gewissheiten. Nur weil ich gewillt bin, diesen Preis zu zahlen, heißt das nicht, dass mir das leicht fällt.
Anstelle einer großen Abschiedssause habe ich eine kleine Tour durch Deutschland gemacht. Ich habe eine Woche lang mit meinem Neffen gechillt, habe mich von meinen Freunden in Mainz und Umgebung verabschiedet, bin dann weiter nach Köln gefahren und von dort aus nach Hamburg, um 3 Tage mit meiner Oma auf Helgoland zu verbringen. Von dort ging es nach Kiel zu meinem Bruder, wo ich das hier gerade schreibe. Diese Art des langsamen Abschieds und der bewussten Begegnung fällt mir so viel einfacher als eine große Sause in der sich alle noch einmal sehen. So habe ich also die ersten 1.386 km meiner Weltreise zurückgelegt, habe neue Erkenntnisse über meine Familie gewonnen und die Werte, mit denen ich aufgewachsen bin. Manchmal reicht es zu fragen und die Antworten werden einem freimütig gegeben. Familiengeschichte ist wichtig. Die meisten Werte, die wir in uns tragen, finden wir so ähnlich in unseren Vorvätern wieder. Nichts kommt von nichts.
Außerdem hat mir diese kleine Wanderschaft ermöglicht, mein (viel zu schweres) Gepäck ein wenig spazieren zu tragen. In Kiel wird der gesamte Rucksack noch einmal aussortiert; alles wird gewaschen, imprägniert und überprüft oder ergänzt (Hallo Trinkflasche!); die Route wird noch weitergehend geplant, oder gebucht (Hallo Finnland!), die Versicherungen abgeschlossen und die Situation auf meinen Konten durchgegangen. Außerdem werden die Helgolandfotos sortiert, die Videosequenzen ausgewertet und an der Projektfindung weiter gebastelt. Bis jetzt steht nur der Titel „Traveling worlds“, geboren aus einem spontan kreierten Hashtag (#IWtravelingworlds) – bei dem ich mir noch nicht einmal sicher bin, ob es im Englischen etwas heißt. Good times! Wie bei allem was ich tue, vertraue ich darauf dass ein Schritt zum nächsten führt.
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